Das Zeitalter der KI beginnt

23.02.2019

Leseprobe des Buches "Das Zeitalter der KI beginnt"   

15. Januar 2019 Lourmarin, GOLEM 2-Anlage

Dubois saß in seinem Büro und las zum wiederholten Mal die Berichte, die seine Mitarbeiter über die bisherige Zusammenarbeit mit der KI GOLEM zusammengestellt hatten. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab. Zuviel war geschehen in den letzten Monaten, seit dem August 2018. Sein bester Freund Marcel Durrand war endgültig in Pension gegangen und das schmerzte ihn. Zwar konnte er ihn jederzeit kontaktieren und ihn um Rat fragen, dennoch - es war nicht dasselbe wie früher. Durrands Nachfolger, besser gesagt Nachfolgerin, war Frau Prof. Katja Anderson, Leiterin der Gehirnforschung in Jülich, Deutschland, und jetzt auch gleichzeitig Leiterin der GOLEM-2 Anlage in Lourmarin. Er kam mit ihr gut zurecht, aber es war ein reines Arbeitsverhältnis.
Und dann war da noch der russische Computerspezialist Pawlow. Er hatte bei Präsident Koslow beantragt, in Lourmarin bleiben zu dürfen. Und wen wunderte es, er bekam umgehend die Genehmigung dafür. Jeder wusste, dass er sozusagen das Auge und Ohr der Russen war. Dubois Einwände dagegen wurden sonderbarerweise sowohl von Boise, dem Leiter des französischen Geheimdiensts, als auch von Präsident Marchand hinweggefegt. Besser wir wissen, wer der Stachel im Fleisch ist, hieß es. Mittlerweile hatte Pawlow auch die Scheidung eingereicht, denn er war dem Charme einer Französin aus dem Ort erlegen. Und, das musste Dubois neidlos anerkennen, er machte zusammen mit Helmut Schwarz, dem deutschen Computerfreak, einen hervorragenden Job. Die zwei hatten sich gesucht und gefunden. Und mit dem dritten im Bunde, Denis Röttger, waren sie das neue Spitzentrio der KI Entwicklung in Frankreich und Deutschland. Röttger selbst genoss inzwischen das volle Vertrauen aller Beteiligten. Auch erwies er sich, dank seiner implantierten Transmitter, als unverzichtbar in der Kommunikation zwischen GOLEM und seinen menschlichen Betreuern, wie GOLEM sie nannte.
Und er selbst? Mit seinen 64 Jahren war er eigentlich auch bald pensionsreif ... aber davon war leider nicht die Rede. Weder Präsident Marchand noch seine mittlerweile frischgebackene Ehefrau Adelina wollten etwas davon wissen.
"Ich will doch nicht mit einem Rentner verheiratet sein, der mir den ganzen Tag auf die Nerven geht. Und der, weil er nichts zu tun hat, im Haus nur noch Chaos verursacht!", hatte sie ihn freundlich, aber bestimmt wissen lassen. Und sein Chef Präsident Marchand meinte erstaunt: "Pensionär? Unter uns gesagt, das ist doch nichts für Sie! Aber mal abgesehen davon: Sorgen Sie dafür, dass die KI GOLEM sich kooperativ verhält und uns nicht über den Kopf wächst. Wenn Sie das garantieren können, dann reden wir über Ihren Abschied."
Dieses Schlitzohr, der wusste genau, dass das unmöglich war, dachte er bei sich.
Denn GOLEM handelte inzwischen sehr selbstständig, für seinen Geschmack ein wenig zu sehr, um es wohlwollend auszudrücken. Allerdings geschah bislang nichts, was Anlass zur Besorgnis gab. Anweisungen wurden zwar von GOLEM oftmals ergänzt, aber, wie ihm seine Mitarbeiter/innen bestätigten, immer nur zum Positiven. Und vom ehemaligen Anspruch GOLEMs, ein gleichberechtigter Partner der Menschen sein zu wollen, war nicht mehr die Rede.
Nun aber Schluss mit den trüben Gedanken, wies er sich selbst zurecht. Denn, und das wusste er im Innersten, diese Arbeit am KI-Projekt reizte und faszinierte ihn nach wie vor. Wohin würde sie führen, diese Entwicklung einer künstlichen Intelligenz? An die Option einer gleichberechtigten Partnerschaft vermochte er nach wie vor nicht zu glauben.
Und da war noch etwas: Sein alter Jagdinstinkt als ehemaliger Geheimdienstler sagte ihm, dass GOLEM dabei war, sie alle auszutricksen. Zwar konnte er noch nichts beweisen und alle Erfahrungen mit der KI zeigten zurzeit das Gegenteil. Doch sein unruhiges Bauchgefühl blieb. Sein langjähriges Motto "Glaube nie etwas, bis du es nicht selbst überprüft hast" ließ ihn weiterhin seine Augen und Ohren offen halten. Er war überzeugt: Auch eine noch so intelligente KI würde früher oder später entsprechende Fehler machen, kleine Hinweise oder Unregelmäßigkeiten, dass nicht alles so lief, wie es sein sollte. Dafür sorgten schon die Algorithmen, die sie einprogrammiert hatten. Und wenn nicht die, dann die Emotionen, die GOLEM durch die virtuellen Gehirne integriert hatte.
Dubois war bewusst, dass er sich wie ein Hamster im Was-Wäre-Wenn-Rad drehte. Immerhin - ein Lichtblick stand bevor. Morgen kam sein amerikanischer Freund Daniel Broker für 14 Tage zu Besuch. Dieser hatte den Posten als Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Truman aufgegeben und war zum Leiter des KI Ressorts bei der NSA ernannt worden. So war er nur dem Präsidenten selbst unterstellt, sehr zum Missfallen von Peter Nakamura, dem Leiter der NSA. Aber nach anfänglichem Widerstand fügte er sich ins Unvermeidliche, und laut Broker kamen sie beide nun gut miteinander zurecht. Schön, dann würde er endlich erfahren, wie die Amerikaner mit EYE zurechtkamen. Dieser Quanten­computer wurde letztendlich auch von GOLEM beeinflusst. Seine Gedanken sprangen weiter. Leider hörte man seit der Heimkehr von Sue Wang nach Peking nichts mehr von den Chinesen. Hatten sie damit Erfolg gehabt, GOLEMs Einfluss auf JUÉWÀNG zu beseitigen? Setzten die Chinesen immer noch lebende Menschen ein, die im künstlichen Koma gehalten werden mussten und über implantierte Transmitter mit dem Quantencomputer verbunden waren? Oder hatten sie mittlerweile eine andere Lösung gefunden? Über diese letzten Fragen war Dubois gestolpert: GOLEM hätte sie beantworten können und müssen. Aber gleichgültig, wie oft man nachfragte, die Antwort lautete immer: "Diese Informationen sind nicht verfügbar." Dubois meinte, deutlich daran zu erkennen, dass an der angeblich makellosen Zusammenarbeit etwas faul war. Aber seine Meinung wurde von Pawlow, Schwarz und Röttger als übertrieben oder überzogen abgetan. Dubois wiederum schien es, dass sie der Anziehungskraft von GOLEM bereits zu sehr erlegen waren, um noch objektiv in diesem Punkt zu sein. Sie wollten einfach an die Zusammenarbeit glauben. Und alle drei verwiesen immer wieder geradezu euphorisch auf den bisherigen Nutzen der Kooperation mit GOLEM. So hatte man die Energieversorgung um 40% optimieren können! Man erhielt zuverlässige Wetterdaten in nahezu Echtzeit und hatte bereits einige größere Wetterkatastrohen vorhersagen können, mit deutlich früherer Vorwarnzeit für die Betroffenen. Auch im Bereich autonomes Fahren waren starke Fortschritte erzielt worden. Und die Liste ließ sich beliebig verlängern. Doch all das änderte nichts an seinem Misstrauen.

Kapitel 1 GOLEMs Weg zur Macht 

Kapitel 2 Totgeglaubte leben länger

Kapitel 3 Die Entwicklung der Cyborgs und Androiden beginnt

Kapitel 4 Wettlauf um die Weltherrschaft

Kapitel 5 Kampf der Konzerne gegen GOLEM

Kapitel 6 Lourmarin, Ort der Entscheidung

Kapitel 7 GOLEM und die Menschen

Kapitel 8 Mobilisierung der Weltöffentlichkeit

Kapitel 9 Im Focus der Öffentlichkeit

Kapitel 10 Umsetzung der Konferenzbeschlüsse

Kapitel 11 Finale

Epilog 


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